6.9.2013
Renault Zoé: Hier fließt Strom
Abonnenten von "auto motor und sport" oder "Sport-Auto" mögen sich dem Thema zwar noch nicht voll hingeben - aber es hilft nicht: Die Elektromobilisierung erfreut sich raumgreifender Fortschritte. Klugerweise macht die Autoindustrie große Anstrengungen, allfällige Skepsis in Vertrauen zu verwandeln. Einerseits durch Reichweitenverlängerung, andererseits durch Senkung der Anschaffungspreise. Beispiel Renault Zoé. Seit Juni 2013 käuflich, verspricht der stromende Franzose eine Reichweite von immerhin 210 Kilometern und ist mit
21 700 Euro nicht nur für wohlhabende Umweltfreaks erschwinglich.
Für das Geld bekommt man nicht etwa einen schmalbrüstigen Zweisitzer ohne Transportkapazität aber mit hohem Verkehrshindernispotential, sondern einen vollwertigen Kleinwagen mit vier Türen, fünf Plätzen und einem 338 bis 1225 Liter großen Gepäckraum. Dass er hübsch gestylt und nicht etwa aerodynamisch verschandelt ist, spricht zusätzlich für den knapp 4,10 Meter langen Stromverbraucher. Gefallen kann auch sein Innenraum. Schlicht, übersichtlich, nicht ohne Charme, mit ausreichend Platz und gut geeignet, einem die Scheu vor der neuen Antriebstechnik zu nehmen. Gäbe es einen Verbrennungsmotor unter der Haube - Renault könnte locker ein vielfaches mehr absetzen als die 541 Exemplare, die vom Zoé bis Anfang August verkauft wurden. Auch Zoé-Fahren ändert an dieser Einschätzung nichts. Am Kurvenverhalten gibt es eben so wenig zu bemängeln wie am Abrollkomfort. Rein fahrwerkstechnisch ist der kleine Renault auch für einen starken Benziner oder Diesel gerüstet. Aber kein Wunder: Nutzt er doch die Plattform des Clio.
Unter seinem Wagenboden versteckt sich ein gewichtiger Lithium-Ionen-Akku, der dem Zoé ein hohes Leergewicht von 1505 Kilogramm beschert. Er verlagert den Schwerpunkt nach unten und trägt zum unproblematischen Kurvenverhalten bei. Bevor man den kleinen Stromer hart ran nimmt, sollte man sich aber erst an seine gefühllose Lenkung gewöhnen. Dass die rollwiderstandsarmen Reifen in puncto Seitenführung nicht top of the pops sind, sollte man ebenfalls bedenken. Hart ran nehmen bedeutet freilich auch, den Aktionsradius radikal zu kappen. Schon wer ihn in gemäßigtem Autobahntempo bewegt, sollte sich bewusst sein, dass ohne Ladestation nach rund 100 Kilometern ein Abschleppdienst notwendig sein könnte.
Der Zoé also ein reiner Stadtindianer? Jawohl. Dafür sprechen nicht nur die bescheidenen Fahrleistungen (0-100 in 13,5 s, Spitze 135 km/h), sondern auch die größere Verfügbarkeit von Ladestationen. Außerdem: In der Stadt muss man häufiger bremsen, womit elektrische Energie erzeugt (rekuperiert) wird, die dem Zoé zusätzliche Reichweite verschafft. Und Fahrvergnügen wird ebenfalls geboten. An der Ampel geht der 65 kW starke E-Motor, dessen 220 Nm praktisch von der ersten Umdrehung an bereit stehen, nämlich so kräftig und leise zur Sache, dass der Franzose abgeht wie Schmitt`s Katze. Und dabei fallen auf 100 Kilometer nicht mehr als drei bis vier Euro Stromkosten an.
Wo ist der Haken an der Sache? Es gibt mehrere. Die Batterie ist nicht im Grundpreis von 21 700 Euro enthalten. Sie muss geleast werden, was monatlich je nach Laufzeit und jährlicher Fahrleistung zwischen 79 und 162 Euro kostet. Außerdem muss der Zoé-Nutzer in seiner Garage eine so genannte Wallbox mit 3,7 kW Ladeleistung montieren lassen, eine einfache Steckdose genügt nicht. An der Wallbox lässt sich die Batterie mit 230-Volt-Versorgung in sechs bis neun Stunden laden. Geduld ist also vonnöten. Schneller geht´s an einer 400-Volt-Drehstrom-Station. In nur 30 Minuten erhält der Akku dort 80 Prozent seiner Ladekapazität. Schnellladungen erhöhen allerdings den Mietzins für die Batterie. Pro Ladevorgang werden zwei Euro zusätzlich berechnet. In Europa gibt es laut Renault mittlerweile 22 000 Ladestationen, davon 4000 Schnelllader.
Die Zoé-Anschaffung ist zwar längst nicht so günstig, wie sie anfangs erscheint. Auch sollte er sich an jeder Steckdose aufladen lassen, was in Zukunft wohl auch der Fall sein wird. Dass er bestens geeignet ist, die Scheu vor der Elektromobilität zu glätten, steht dennoch außer Zweifel.
Holger Glanz, autoplusnews, Fotos. Renault