Ford Focus Turnier:
800 Euro teurer als die Limousine
Vor fünfzig Jahren gab Ford den Autos Namen wie Taunus, später auch Granada. Die Kombis hießen Turnier. Heute, ein halbes Jahrhundert später, heißen die Ford-Modelle Focus oder Mondeo und die Kombis immer noch Turnier. Wenn das kein Traditionsbekenntnis ist.
Ein neuer Focus-Turnier steht gerade bei den Händlern. Mit 4,56 Meter ist er rund zwanzig Zentimeter länger als der Anfang April erschienene Focus mit Schrägheck, hat aber mit 2,65 Meter den selben Radstand. Trotz des größeren hinteren Überhangs wirken seine Proportionen ausgewogen. Von einem Rucksack-Effekt kann keine Rede sein. Das höhere Dach brachte vier Zentimeter mehr Kopfraum auf der Rückbank. Ein nicht unwichtiger Vorzug, denn im Schrägheck-Focus müssen große Hinterbänkler Dachkontakt fürchten.
Auf den Vordersitzen gibt’s keinen Unterschied. Auch im Kombi kommt einem die Armaturentafel ein bisschen zu überladen und die Mittelkonsole etwas zu füllig vor. Einfach reinsetzen und losfahren ist natürlich möglich. Aber während der Fahrt taucht unwillkürlich die Frage auf, wofür dieser und jener Knopf sein könnte. Es sind nun mal sehr viele. Die Nobel-Ausstattung Titanum hat sogar einen Startknopf. Aber auch den muss man erst mal finden. Er versteckt sich genau hinter dem Lenkrad.
Selbstverständlich hat der Turnier eine große, bis weit in den Stoßfänger herunterreichende Klappe. Hochgeklappt kann ein 1,85-Meter-Mann bequem darunter stehen. Die Ladekante liegt nur 59 Zentimeter über dem Boden. Der Kofferraum ist bis zur Abdeckplane 476 Liter groß, bis unters Dach 490 Liter. Dachhohe Beladung empfiehlt sich aber nur mit einem Trennnetz. Ford offeriert es für 205 Euro Aufpreis.
Das Kippen der geteilten Rückzitzlehne setzt das Aufstellen der ebenfalls geteilten Sitzfläche voraus, sonst entsteht keine ebene Ladefläche. Mit flach gelegter Rückbank entsteht ein 165 Zentimeter langer und durchgängig 115 Zentimeter breiter Ladeboden ganz ohne hereinragende Radkästen. 1516 Liter Stauraum gibt Ford dafür an. Ein Gefrierschrank passt locker hinein. Wer Kleinzeug lädt, läuft natürlich Gefahr, dass es ihm beim Bremsen um die Ohren fliegt. Deswegen lässt sich auch hinter den Vordersitzen ein Trenngitter montieren – für Gewerbetreibende sicher sehr wichtig. Es kostet 240 Euro Aufpreis.
Verzurrösen hat dagegen jeder Focus serienmäßig. Genau so wie eine Tankklappe mit integriertem Tankdeckel. Eine 12-Volt-Steckdose im Kofferraum hat aber nur der Turnier. Auch ist er der einzige Focus ohne vollwertiges Ersatzrad. Serie ist eine Reparatur-Set. Ein Notrad kostet 135 Euro extra. Eine Dachreling gibt´s auch nicht gratis – 200 Euro, für die dazugehörigen Querträger kommen noch 130 Euro hinzu.
Ohne alle Extras kostet der Einstieg in den neuen Ford-Kombi mindestens 18 650 Euro. Audio- oder Klimaanlage sind da noch nicht mit drin. Für das absolute Topmodell muss man 27 250 Euro hinblättern, mit Automatik gar 29 000. Der Focus mit Schrägheck kostet 800, mit Stufenheck nur 300 Euro weniger.
Der kompakte Fronttriebler bietet Assistenzsystemen in einer Fülle, wie man sie bisher nur von der Oberklasse gewohnt war. Notbremssystem, Verkehrszeichen-Erkennung, Fahrspur-Assistent, Müdigkeitswarner, Einpark-, Fernlicht-, Totwinkelassistent. Leider ist nichts Serie, sondern verlangt zwischen 350 und 1375 Euro extra. Das Active-City-Stop-Paket für 350 Euro warnt bei langsamer Fahrt vor einem plötzlich stoppenden Vordermann und sorgt sogar für eine Notbremsung. Warum es mit beheizbaren Scheibenwaschdüsen und Frontscheibenbeheizung gekoppelt ist, ist ein Mysterium der Preis-Gestaltung.
Was beim Schräg- und Stufenheck-Modell für Vortrieb sorgt, sitzt auch hinter dem schlundförmigen Kühlergrill des Turnier. Vier Benziner zwischen 105 und 182 PS, alle mit 1,6 Liter Hubraum, keiner mit mehr als 6,0 Liter Super/100 km Normverbrauch (139 g/km CO2). Die beiden stärkeren gehören der neuen Ford-Motoren-Generation mit Benzin-Direkteinspritzung und Turboaufladung an, besitzen Start-Stopp-Systeme und Sechs- statt Fünfganggetriebe. Die vier Turbodiesel zwischen 95 und 163 PS haben 1,6 oder 2,0 Liter Hubraum und allesamt sechs Gänge. Sparmeister mit nur 4,2 Liter Diesel/100 km (109 g/km CO2 sind die beiden 1,6 Liter, ebenfalls mit Start-Stopp-System. Anfang 2012 wird es noch besser. Dann kommt ein Focus, der sich dank aerodynamischer Hilfen mit nur 3,5 Liter Diesel/100 km begnügen wird (95 g/km CO2). Auch ein Elektrik-Focus ist in der Pipeline.
An der Fahrwerksabstimmung lässt sich kaum noch was verbessern. Ford hat da traditionell eine glückliche Hand. Auch mit dem neuen Turnier gelang ein agiles, gut auf der Straße liegendes und dennoch komfortabel gefedertes Auto. Sein hinterer Überhang hat keine negative Auswirkung aufs Fahrverhalten. Wie die Ford-Ingenieure versichern, auch nicht bei voller Beladung. Die erlaubte Zuladung differiert je nach Motorisierung zwischen 518 und 604 Kilogramm.
Kombis stehen in Deutschland traditionell hoch im Kurs. 2011 will Ford noch 57 000 Focus unter die Leute bringen, davon 31 000 als Turnier.
Holger Glanz, Auto+news, Foto:Glanz
Mehr Infos:
www.ford.de