2.5.2020
Einfach eine GEILE ZEIT
Die deutsche Rennsport-Meisterschaft
1972-1985
Von 1972 bis 1985 gab es in Deutschland die Deutsche Rennsport-Meisterschaft – kurz DRM. Sollte es darüber ein Standardwerk geben, so verdient diese Bezeichnung ohne Zweifel das Buch von Gustav Büsing und Uwe Mahla mit dem flapsigen Titel "Einfach eine geile Zeit". Motorsport-Bücher erscheinen vielfach. Die meisten enthalten spektakuläre Fotos, Ergebnislisten und Rennberichte und bieten damit kaum mehr Informationen als die Live-Zuschauer bei Rennveranstaltungen erhalten.
Ganz anders das Werk von Büsing und Mahla. Die beiden arbeiteten als Journalisten, Pressesprecher und Kommentatoren auch während der DRM-Jahre. Sie erlebten, wie die Meisterschaft entstand, was ihre Höhepunkte waren und wie sie sich schließlich von einer Tourenwagen- zu einer Sportwagenmeisterschaft entwickelte.
Aus heutiger Sicht waren wohl die Anfangsjahre der DRM die allerbesten. Die Rennautos stammten noch aus der Deutschen Rundstreckenmeisterschaft, die in den letzten Jahren von Dieter Glemser und Herbert Schultze dominiert wurde, und glichen noch ihren Serien-Brüdern. Die Fahrer beherrschten noch die Kunst des Driftens. An Abtriebs-Autos, die wie angesaugt durch die Kurven fahren, war noch nicht zu denken und auf der Nürburgring-Nordschleife wurde gewetteifert, wer auf der Kuppe am Abschnitt Pflanzgarten am höchsten und weitesten springt. Die Teams rekrutierten sich aus Tuningbetrieben und Autohändlern wie Zakspeed, Alpina, Schnitzer, Koepchen, Kremer, GS, Joest oder Max Moritz mit ständig wachsender Werksunterstützung. In den Siegerlisten fanden sich Ford Escort und Capri, Porsche 935 und BMW 320.
Autorennsport wird nicht nur auf der Piste ausgetragen, sondern in hohem Maße auch von Technikern und Ingenieuren entschieden. Ständiges Streben nach Leistung, Straßenlage und guter Aerodynamik ist für Podestplätze Voraussetzung. Mit der Begleiterscheinung, dass der Sport ständig professioneller und teurer wird – egal in welcher Rennserie. Ein kompliziertes Reglement versucht, Chancengleichheit zu schaffen. Dessen Auslegung und Ausnutzung öffnet dennoch immer wieder Möglichkeiten, sich auf der Strecke Vorteile zu schaffen. Nicht selten sind Juristen involviert. Der Ford Capri fuhr als Rennauto mit Schraubenfedern an der Hinterachse. Weil das Serienauto Blattfedern besaß, mussten sie ebenfalls vorhanden sein. Man verwendete Attrappen aus Fiberglas. 1980 trat der Capri mit einem riesigen Heckflügel an, der nicht ins Reglement passte. Da aber die Form der Kotflügel frei gestellt war, gestaltete ihn Ford-Techniker Thomas Ammerschläger als Teil der Radhäuser.
Über all dies berichten die Autoren. Dazu unzählige Hintergrundgeschichten, die man so noch nirgendwo gelesen hat. Und sie lassen die Akteure zu Wort kommen. Manche geben Storys preis, die sie vor 40 Jahren ganz sicher keinem Journalisten anvertraut hätten. Herrlich, wie Hans Heyer mit der Sprühdose den Motor des Konkurrenten Schnitzer markiert, weil er ihn für nicht regelkonform hält. Oder wie Klaus Ludwig seinen Rausschmiss durch Teamchef Georg Loos beschreibt, nur weil er eine Siegesfeier zu früh verlassen hatte.
Büsing und Mahla widmen sich sehr ausführlich der technischen Entwicklung und den Tücken eines sich ständig verändernden Reglements. Auch wird jede Saison von 1972 bis 1985 teils in groben Zügen, teils detailliert beschrieben, ohne in stumpfe Ergebnisberichte zu verfallen. Aber die eigentliche Klammer des Buches bilden die Akteure: Fahrer, Teamchefs, Mechaniker. Von Jürgen Barth bis Bob Wollek - die 30 besten Fahrer dieser Zeit werden treffend porträtiert. Rennfahrer sind nicht nur auf der Strecke hohem Druck ausgesetzt, sie müssen auch mit Teamchefs, Vorständen und Sponsoren zurecht kommen. Im Fahrerlager ist viel Platz für Animositäten. All dies und noch viel mehr bildet den Stoff, der dieses Buch so einmalig macht. Es ist aber nicht nur für Protagonisten und Insider lesenswert, sondern auch und vielleicht erst recht für Motorsport-Fans heutiger und vergangener Tage. Auch den "Helden der zweiten Reihe" wird gedacht. Von Gerhard Schüler über Walter Struckmann bis zum 1980 in Zandvoort verunglückten Hans-Georg Bürger. Auch sie waren mit großem Einsatz am Erfolg dieser phantastischen Rennserie beteiligt, die sogar aus einigen Bergrennen bestand und von 1979 bis 1983 durch die Deutsche Rennsport Trophäe ergänzt wurde. Erst als sie sich in den letzten Jahren den Prototypen der Gruppe C öffnete, verlor sie ihren ursprünglichen Charakter.
"Einfach eine geile Zeit" – die euphorische Formulierung stammt von "Strietzel" Hans-Joachim Stuck. Das Buch ist reich illustriert – zum Teil mit noch nie veröffentlichten Abbildungen. Es verzichtet fast völlig auf Crash-Fotos, die dieser Sport ja auch sattsam produzierte. Die 305 Seiten enthalten einen 40-seitigen Statistikteil mit den Ergebnissen der einzelnen DRM-Rennen. Ein langes Namensregister gibt es ebenfalls. Leider ohne Angabe der Seiten, auf denen die Personen zu finden sind. Und last but not least: Der Buch-Einband ist im unteren Teil mit einer rauen Schicht bedeckt – so als würden die drei Autos dort auf griffigem Asphalt stehen.
Holger Glanz, autoplusnews (Text und Foto)
Einfach eine GEILE ZEIT. Deutsche Rennsport-Meisterschaft 1972-1985
Von Gustav Büsing und Uwe Mahla
305 Seiten
Gruppe C Motorsport Verlag
Dritte Auflage 2020, ISBN 978-3-948501-03-7
Preis 50,00 Euro