7.11.2013
DVR: Unfallursache Aggression im Straßenverkehr
Eine wesentliche Unfallursache auf deutschen Straßen ist aggressives Verhalten. Nach Schätzung des ADAC sind allein 1000 Verkehrstote pro Jahr Resultat von Geschwindigkeitsüberschreitungen oder unzureichendem Sicherheitsabstand. Obwohl die Zahl der Verkehrstoten kontinuierlich sinkt, ist die Zahl der Toten und Schwerverletzten auch verfassungsrechtlich nicht akzeptabel.
Maßnahmen, die Verkehrssicherheit zu verbessern, scheitern unter anderem an einer traditionell sehr strukturkonservativen Verkehrspolitik in Deutschland, sagt der Rechtswissenschaftler Professor Dr. Gerrit Manssen von der Universität Regensburg. Renditeinteressen der deutschen Automobilindustrie würden von der derzeitigen und wohl auch künftigen Bundesregierung vorrangig behandelt. Schnelles, sportliches und damit rücksichtsloses Fahren gelten als Verkaufsargument für deutsche Pkw. Änderungen im Verkehrsrecht und damit notwendige Reformen wären politisch unpopulär. Dabei könnten sie nur durch politische Mehrheiten durchgesetzt werden. Gerichte wären dazu nicht in der Lage.
Viele Leute verbände das Gefühl, dass es auf deutschen Straßen immer rauer zugeht, sagt Dr. Dirk Hillebrand von Flensburger Kraftfahrt-Bundesamt. Ein eindeutiges Fazit gäbe es jedoch nicht. Die amtliche Statistik zeige nämlich ein differenziertes Bild. Über lange Zeiträume beobachtet zeige zum Beispiel das Delikt ungenügender Sicherheitsabstand einen steigenden, Unfallflucht dagegen einen sinkenden Trend. Von 1993 bis 2013 hat sich die Zahl der Verkehrsdelikte von 2,9 auf 4,9 Millionen pro Jahr erhöht (2012 durchschnittlich 13 600 registrierte Delikte pro Tag). Fest stände, dass Präventivmaßnahmen sich auf die Vermittlung von Rücksichtnahme, Fairness und Gelassenheit konzentrieren sollten, so Dr. Hillebrand.
Laut Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Manssen brächten "Softaktionen" wie "Hallo Partner" so gut wie nichts. Besser sollten Maßnahmen, wie eine allgemeine Tempobegrenzung und ein Lkw-Überholverbot in Erwägung gezogen werden. Übermäßig schnelles Fahren und „Drängeln“ sollte je nach Verhaltensweise als Straftatbestand geahndet werden, wozu freilich eine Überarbeitung des § 315c StGB erforderlich wäre. Auch sollte seiner Meinung nach ein abstraktes Gefährdungsdelikt wie beim Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss geschaffen werden. Prof. Dr. Manssen plädiert auch für eine höhere Kontrolldichte nach ausländischem Vorbild, wie Halterhaftung, Section-Control (linienförmige Geschwindigkeitsmessung), oder die Möglichkeit, aggressives Verhalten zu melden, ohne gleich eine Anzeige erstatten zu müssen. Geeignet dafür wäre zum Beispiel eine einfache Hotline. Manssen stützt sich mit seinen Ausführungen und Sanktions-Empfehlungen auf Gespräche mit Autobahn-Polizisten und deren Vorschläge. Die Empfehlungen des 51. Verkehrsgerichtstages 2013 zur Verbesserung der Verkehrskultur hält er für zu allgemein und zu unpräzise.
Holger Glanz, autoplusnews, Fotos: DVR