26.08.2016
AXA-Crashtest: 28 Meter im Blindflug
Wer hat es nicht schon mal gemacht: während der Fahrt aufs Smartphone geschaut und mal eben kontrolliert, ob neue E-Mails eingegangen sind? Jeder von uns. Aber ist uns auch klar, dass wir in den zwei Sekunden, die der Blick aufs Gerät dauerte, stolze 28 Meter zurück legten? Und das quasi im Blindflug? Und nicht bei 130 km/h auf der Autobahn, sondern bei nur 50 km/h in der Stadt oder auf der Landstraße. Was dabei passieren kann - siehe Foto oben.
Laut Studie der AXA Winterthur-Versicherung nutzen zwei Drittel der Autofahrer und Fußgänger ihr Handy oder Smartphone auch im Straßenverkehr. 23 Prozent der Autofahrer haben auch schon SMS oder WhatssApp-Nachrichten am Steuer gelesen, 13 Prozent selbst welche geschrieben.
In der Schweiz, wo AXA Winterthur zuhause ist, werden rund 21 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden auf Ablenkung zurück geführt. Bettina Zahnd, oberste Unfallforscherin des AXA-Versicherungskonzerns, sieht darin einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Nutzung von Smartphones. In der Schweiz ist lediglich das Telefonieren ohne Freisprechanlage im Bußgeldkatalog aufgeführt. In Deutschland darf das Handy benutzt werden, wenn der Motor ausgeschaltet ist. Sogar wenn er sich dank Start-Stopp-Automatik automatisch abgeschaltet hat. Die Unfallforscherin fordert für das Lesen oder Schreiben von Nachrichten während der Fahrt deutlich höhere Strafen als für das Telefonieren ohne Freisprechanlage, was laut Studie 77 Prozent der befragten Autofahrer sogar befürworten.
Auch Fußgänger sind durch Smartphone-Nutzung gefährdet. Man spricht bereits von so genannten Smartphone-Zombies, kurz "Smombies". Bettina Zahnd fürchtet, dass sich die Opfer von Fußgängerunfällen deutlich verjüngen. Laut Studie verwenden mehr als die Hälfte der 14- bis 25-jährigen Fußgänger ihr Handy unterwegs, um Musik zu hören, SMS- oder WhatsApp-Nachrichten zu lesen oder zu schreiben und nicht zuletzt zum Telefonieren. Augsburg ist die erste Stadt in Deutschland, die darauf reagierte. Um auf nahende Straßenbahnen aufmerksam zu machen, wurden an zwei Haltestellen-Übergängen rote LED-Leuchten im Boden installiert, "Wer aufs Smartphone starrt, nimmt rote Ampeln nicht wahr", sagt Stadtwerke-Sprecher Jürgen Fergg. "Aber am Boden blinkende Leuchten vermutlich schon."
Ob andere Städte diesem Beispiel folgen werden, ist fraglich. Darum sollten Fußgänger mit Bußgeldern belegt werden, wenn sie beim Straßenüberqueren ein Smartphone benutzen - auch wenn sie sich primär selbst gefährden. Das fordert jedenfalls AXA-Forscherin Bettina Zahnd. Welche Folgen die Kollision eines Autos mit einem telefonierenden Fußgänger hat, zeigte AXA in einem von drei Crashtests im schweizerischen Dübendorf. Ein mit 50 km/h erfasster Fußgänger wird mitgerissen und auf die Kollisionsgeschwindigkeit beschleunigt, um anschließend auf die Fahrbahn zu prallen. Seine Überlebenschancen liegen bei nur 30 Prozent. Dem angegurteten Fahrer passiert mutmaßlich nichts.
Holger Glanz, autoplusnews, Foto: Glanz