9.11.2017
DVR-Seminar, Essen
Verkehrserziehung: Was lernen Kinder im welchem Alter?
Im vergangenen Jahr verunfallten 28 547 Kinder im Alter unter 15 Jahre im deutschen Straßenverkehr. 66 davon sogar tödlich. Keine Frage, dass das alarmierende Fakten sind. Doch im Vergleich zum Beginn der 70er-Jahre sind es geradezu hoffnungsvolle Zahlen. 1972 verunglückten sage und schreibe 73 493 Kinder auf unseren Straßen, 2114 davon tödlich. Natürlich sind auch "nur" 28 000 verunglückte junge Verkehrsteilnehmer kein Anlass, die Hände in den Schoß zu legen.
Kinder sehen schon im Kleinkindalter besser als Erwachsene, aber sie können viele Dinge nicht richtig einordnen. Beispiel: Die Geschwindigkeit herannahender Fahrzeuge zu schätzen, ist für sie kaum möglich. Um eine effektive Mobilitäts- und Verkehrserziehung zu erreichen, muss der Entwicklungsstand der Kinder berücksichtigt werden, sagt Verkehrspsychologe Prof. Dr. Bernhard Schlag von der TU Dresden auf einem Seminar des DVR (Deutscher Verkehrssicherheitsrat). Die Entwicklung des Gefahren- und Sicherheitsbewusstseins gliedert sich in drei Stufen (nach M. Limbourg, 1994). In Stufe 1 (zwischen fünf und sechs Jahre) sind Kinder demnach in der Lage, gefährliche Situationen im Straßenverkehr zu erkennen. Allerdings erst dann, wenn sie schon akut gefährdet sind. Erst in Stufe 2 (ca. acht Jahre) lernen Kinder, Gefahren voraus zu sehen. In Stufe 3 schließlich (zwischen neun und zehn Jahre) sind Kinder fähig, vorbeugende Verhaltensweisen bewusst einzusetzen, um Gefahren zu reduzieren.
Wie Prof. Dr. Schlag anführt, verunfallen lebhafte, leicht ablenkbare aber auch kontaktfreudige Kinder häufiger als solche ohne diese Eigenschaften. Auch Kinder mit erhöhter Ängstlichkeit, innerer Unruhe und Empfindlichkeit sind gesteigert unfallgefährdet. Mädchen entsprechender Altersgruppen sind vergleichsweise ruhiger als Jungen, auch selbständiger und weniger risikobereit. Wie die Statistik zeigt, haben sie somit auch weniger Unfälle.
Verkehrserziehung: Schon mit 14 ein Raser?
Das Verhalten junger Fahrer nach Erhalt des Führerscheines ist bereits umfassend erforscht. Eine Studie der Deutschen Hochschule der Polizei untersuchte das Jugendlichkeitsrisiko nicht erst danach sondern schon vor dem Erhalt der Fahrerlaubnis. Im Rahmen der Studie, genannt Lawida, wurden 1179 Jugendliche, 606 Mädchen und 573 Jungen, zu ihrem Mobilitätsverhalten und ihren Einstellungen zum Straßenverkehr befragt. Hypothese war, dass sich Einstellungen zu Fahrzeugen und Verkehr schon vor dem Eintritt in das Autofahreralter herausbilden. Fragen waren unter anderem: Würdest Du auch mal mit Alkohol fahren? Oder: würdest Du auch mal schneller fahren als erlaubt?
Ergebnis der Umfrage: Die Risikoausprägung der Jugendlichen hat mit dem faktischen Alter nichts zu tun. Maßgeblich ist eher der Stand der Entwicklung, wobei auch die Loslösung vom Elternhaus eine Rolle spielt. Daraus ergab sich, dass immerhin acht Prozent aller Führerscheinanfänger einer Hochrisiko-Gruppe zuzuordnen sind. Schon mit 14 Jahren weisen manche Jugendliche ein erhebliches Risikopotential auf, dass sich bis zum Führerschein-Erhalt nicht ändert. Die Schlussfolgerung: Schon vor dem Führerscheinerwerb sind Interventionsmaßnahmen erforderlich, sagt Polizeidirektor Heinz Albert Stumpen von der Deutschen Polizei-Hochschule in Münster auf einem Seminar des DVR (Deutscher Verkehrssicherheitsrat). Denn Mobilitätserziehung ist letztendlich auch Sozialerziehung.
Holger Glanz, autoplusnews
Für m
ehr Infos: www.dvr.de