28.6.2019
DVR: Was den Straßenverkehr sicherer macht
Deutschland ist einziges EU-Land ohne Tempolimit. Auf mehr als 70 Prozent deutscher Autobahnen gilt in der Regel freie Fahrt. Wo ein Limit von 120 km/h herrscht, fahren laut TomTom-Daten 18 Prozent aller Fahrer mehr als 130 km/h und weitere 20 Prozent zwischen 120 und 130 km/h. Laut verschiedener Berechnungen würde ein Autobahn-Tempolimit auf 130 km/h jährlich 80 bis 140 tödliche Unfälle zu vermeiden helfen.
Der Verkehrspsychologe Bernhard Schlag fordert eine dringende Tempolimit-Debatte. Fallstudien aus zehn Ländern beweisen, dass eine Senkung der Höchstgeschwindigkeit die Zahl der getöteten Personen um mehr als zehn Prozent verringern würde, sagt er. Auch in Deutschland gäbe es entsprechende Erkenntnisse. Schon 1970 führte die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) einen Großversuch durch. Abschnitte mit einem Tempolimit wiesen neun bis elf Prozent weniger Unfälle auf. 2003 wurden 63 Kilometer der BAB 24 auf 130 km/h begrenzt und bisher ereignete sich dort kein tödlicher Unfall mehr. Vorher zählte man neun Tote in drei Jahren. Berhard Schlag nennt auf einem Seminar des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) weitere fundierte Gründe für ein Tempolimit."Offensichtlich hat sich in Deutschland die Idee eines Gewohnheitsrechts herausgebildet, so schnell wie möglich fahren zu können. Manche vergleichen das mit der Freiheit, in den USA eine Waffe tragen zu dürfen," sagt der Verkehrspsychologe.
Frau Dr. Simone Klipp vom Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) behandelte auf dem Seminar des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) das Thema Alkohol und Drogen am Steuer. 2017 wurden in Deutschland 2,6 Millionen Unfälle erfasst. Bei 1,5 Prozent war eine unter Alkohol oder Drogen stehende Person beteiligt. Jeder 14. Straßenverkehrs-Tote war Opfer eines Alkoholunfalls. Deutschland verfügt über ein umfassendes Maßnahmensystem zur Prävention von Alkohol- und Drogenfahrten, erklärt Frau Dr. Klipp. Wurden 1980 noch 140 000 Personen die Fahrerlaubnis wegen Alkohol- oder Drogenfahrten entzogen, so mußten 2017 "nur" knapp 50 000 Fahrern der Führerschein abgenommen werden. Einen Peak gab es in den Jahren nach der Wiedervereinigung. 1993 gaben mehr als 150 000 Autofahrer den Schein ab.
Für hohe Unfallzahlen sorgt eine bestimmte Spezies der Verkehrsteilnehmer – Motorradfahrer. In Deutschland ist jeder fünfte Unfalltote ein motorisierter Zweiradlenker. Die Wahrscheinlichkeit, auf einer Strecke von 100 Kilometern zu Tode zu kommen ist mit einem Motorrad rund 30 mal höher als mit einem Pkw. Im städtischen Bereich ist die Gefahr groß, mit Pkw-Lenkern zu verunfallen. Hauptverursacher ist meist nicht der Motorrad-, sondern der Pkw-Fahrer. Die Problematik liegt auf der Hand: Motorradfahrer werden übersehen, Man rechnet weniger mit ihnen, natürlich sind sie auch häufig mit nicht angepasster Geschwindigkeit unterwegs.
In Österreich führte das KfV (Kuratorium für Verkehrssicherheit) eine Erhebung bei 3500 Motorrad-, Roller- und Mopedfahrern zum Thema Schutzausrüstung durch. Vor allem im Ortsbereich wird häufig auf Schutzausrüstung verzichtet. Von 1364 beobachten Motorradfahrern trugen nur 57 Prozent eine Motorradjacke und nur 30 Prozent eine Motorradhose. Dabei ist ohne Zweifel: passende Ausrüstung kann Unfallschwere reduzieren. Regelmäßiges Fahrtraining ist ebenso wichtig. Fahrtechnische Kompetenz allein reicht nicht aus, so Dipl.-Ing. Christian Kräutler, vom KfV. Aber auch die Infrastrukur kann Unfälle verhindern. In Österreich, auch in Slowenien, hat man mit Bodenmarkierungen vor Kurven gute Erfahrungen gemacht. Sie erleichtern den Bikern die Wahl der sicheren Kurvenlinie.
Holger Glanz, autoplusnews