Treffen im Gegenverkehr zwei Auto mit cirka 70 km/h aufeinander, bleibt von beiden nicht mehr viel übrig. Dabei muss es sich nicht einmal um einen punktgenauen Front-auf-Front-Aufprall handeln, sondern es genügt eine zwanzigprozentige Überdeckung. Den Beweis lieferte einmal mehr der Versicherungskonzern AXA beim letzten seiner alljährlich stattfindenden Crashtests auf dem Flugplatz bei Dübendorf/Schweiz.
Die Tester ließen diesesmal einen betagten grünen Volvo V70 und einen
rosaroten Renault Zoe aufeinanderprallen. Renault Zoe? Ist das nicht ein Elektroauto? Richtig, und das war das Besondere an diesem Crashtest. Nach dem Zusammstoß waren beide Autos erwartungsgemäß platt bis zu den A-Säulen. Sämtliche Airbags hatten ausgelöst. Drumherum eine weit gestreute Trümmerlandschaft. Die Dummies waren weitgegend intakt. Wären es richtige Menschen, so hätten diese jedoch den Unfall nur schwer verletzt, unter Umständen sogar gar nicht überlebt. Das hätte man sich vielleicht schon denken können.
Die Problematik dieses initierten Unfalls liegt aber woanders. Denn bei dem einen handelte es sich schließlich um ein Elektroauto. Zwar schaltet dieses bei heftiger Kollision seine Hochvoltanlage aus. Aber wenn die Batterie beschädigt ist, kann sie zu brennen beginnen. Fatalerweise nicht nur sofort, sondern sogar 48 Stunden später. Brennt ein Akku, kann er kaum mehr gelöscht werden. Die Sache ist unvorhersehbar. Darum fand der AXA-Crash vorsichtshalber ohne diese Stromspeicher statt. Stattdessen wurden Zusatzgewichte installiert. Um die spezielle Steifheit des E-Autos zu simulieren, genau an den richtigen Stellen.
In jedem Fall müssen die Insassen möglichst schnell aus den Autos befreit werden. Um die Helfer vor unverhofften Stromschlägen zu schützen, müssen sie spezielle Handschuhe tragen. Selbst beim Einsammeln der umliegenden Trümmer sind diese angeraten. Basierend auf spezifische Fahrzeuginformationen, wie zum Beispiel in der Rettungskarte, muss die Hochvoltanlage inbedingt spannungsfrei gelegt werden. Die Rettungskarte sollte sich möglichst hinter der fahrerseitigen Sonnenblende befinden. Wegen der Akku-Brandgefahr sind E-Autos auch beim Abtransport problematisch. Die Schweiz hat dafür eigens sechs spezielle Container angeschafft. Sie verfügen über Feuerlöschsysteme und Abzugseinrichtungen.
Trotz allem: Michael Berungs von der Züricher Berufsfeuerwehr hält E-Autos nicht für gefährlicher als andere. Aber Löschöffnungen in den Batteriepaketen, mit denen sich die Akkus bei Brand fluten ließen, hält er für eine sinnvolle Ergänzung.
Dass E-Autos wegen ihrer Geräuschlosigkeit eine gewisse Gefahr für Fußgänger und Radfahrer darstellen, steht auf einem anderen Blatt. Beim AXA-Crashtest wurde mit einem simulierten Unfall - rückwärts ausparkendes Auto gegen Fußgänger - auch darauf hingewiesen. Die EU schreibt seit Juli 2019 für neue E-Auto-Typenzulassungen künstliche Fahrgeräusche vor. Bettina Zahnd, oberste AXA-Unfallforscherin, rät Besitzern älterer E-Autos schon jetzt dringend zur Nachrüstung.
Holger Glanz, autoplusnews. Fotos: Glanz