9.9.2016
Neuer VW Crafter: Von Grund auf eigenständig
VW Crafter und Mercedes Sprinter. Kein Geheimnis ist, dass die beiden im Prinzip nichts weiter als ungleiche Zwillinge sind. Von VW und Daimler gemeinsam entwickelt und gefertigt. Wermutstropfen für Volkswagen: der Sprinter verkauft sich deutlich besser als der Crafter.
Das muss den VW-Bossen unter Ex-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn schon vor einigen Jahren derart gefuxt haben, dass sie für den Crafter einen Nachfolger aus eigener Feder beschlossen. Ergo kündigte man die Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Konkurrenten auf und legte einen eigenen Transporter auf Kiel. Jetzt ist das erste Auto vom Band gerollt. Und zwar in einer brandneuen Fabrik im polnischen Wrszesnia, 38 Kilometer von Poznan entfernt, wo Volkswagen schon seit über 20 Jahren ein Werk unterhält. Eckhard Scholz, Vorstandsvorsitzender des Markenvorstands von Volkswagen Nutzfahrzeuge sagt: "Wir haben das Fahrzeug aus Kundensicht entwickelt und mussten dabei keine Kompromisse eingehen. Eine einmalige Chance".
Rein äußerlich reißt der neue Crafter niemand vom Hocker. Schließlich ist ein Nutzfahrzeug kein Objekt für futuristische Designauswüchse, sondern allein der Zweckmäßigkeit verpflichtet. So hat man ein geradlinigen Transporter vor sich, hinten mit schmalen platzsparenden Rückleuchten, vorn mit einem typischen VW-Gesicht. Nicht einmal die Türen tragen ein besonderes Erkennungsmerkmal wie es zum Beispiel Ford beim Vorgänger des aktuellen Transit mit einer wellenförmigen Fensterline pflegte.
Der Crafter soll offensichtlich bis ins letzte Detail ein kompromissloses den Interessen der Kundschaft maßgenau angepasstes Nutzfahrzeug sein. Als kleines Beispiel dafür erwähnt Eckhard Scholz die seitliche Schiebetür. "Im professionellen Gebrauch wird sie pro Tag etwa 200 mal geöffnet. Wir haben sie so leichtgängig gemacht, dass das drei Sekunden schneller geht als bisher. Aufs Jahr gerechnet eine Zeitersparnis von 36 Stunden". Spediteure könnte dieses Rechenexempel durchaus überzeugen.
Sie können beim neuen Crafter zwischen drei Außenlängen (5,99, 6,84 und 7,39 Meter) wählen und sich zwischen ebenso vielen Dachhöhen (2,36, 2,59 und 2,79 Meter) entscheiden. Die Radstände betragen entweder 3,64 oder 4,49 Meter. Vier bis sechs Europaletten schluckt der Crafter locker. Das zulässige Gesamtgewicht liegt zwischen 3,5 und 5,5 Tonnen, das Ladevolumen zwischen neun und 18 Kubikmeter. Wobei Eckhard Scholz anführt, dass derartige Transporter nur 35 Prozent ihres zulässigen Gesamtgewichts wirklich ausnutzen. Die meisten seien "volumenbestückt".
Die Fahrerkabine hat nicht nur eine zehn Zentimeter niedrigere Einstiegshöhe als bisher, sie bietet auch eine Fülle von Ablagemöglichkeiten für Kleinzeug aller Art bis hin zum voluminösen Aktenordner. Unter den zahlreichen Ausstattungspaketen sticht vor allem ein optionaler Schwingsitz hervor, der mit zahlreichen Funktionen Balsam für geschundene Fahrerrücken sein könnte. Dank elektromechanischer Lenkung wurden auch viele Assistenzsysteme (Park-, Trailer-, Front-, Seitenwind-Assistent) Distanzregelung und ein sensorbasierter Flankenschutz möglich. Natürlich in aller Regel gegen Aufpreis.
Der Crafter wird mit Front-, Allrad- oder Hinterradantrieb angeboten. Als Kraftquelle dienen Vierzylinder-Turbodiesel mit 2,0 Liter Hubraum und wahlweise 102, 140 oder 177 PS, allesamt durchschnittlich einen Liter sparsamer als bisher. Die Motoren sind vorn quer und um acht Grad nach vorn geneigt eingebaut. Über Preise hat sich Volkswagen noch nicht ausgelassen. Womöglich entscheiden sie, ob man nach der Anlaufphase 2017 den erwarteten Absatz von 100 000 Stück in 2018 erreicht.
Holger Glanz, autoplusnews, Fotos: Volkswagen
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